Viele zehntausendmal betätigt das Fahrpersonal die Türtaster im Laufe eines langen Linienbuslebens. Der kontinuierliche Gebrauch führt zu Abnutzung. Mit den Jahren bildet sich um die Taster herum eine speckig-glatte Oberfläche. Anders bei der neuen Setra MultiClass 500 LE: Hier wird das Bauteil in der Produktion mit einer Anode unter Strom gesetzt. Ergebnis ist eine leicht raue, feingenarbte Oberfläche, die Erodier- oder umgangssprachlich Sandpapiernarbe. Haltbar, schmutzunempfindlich, unverwüstlich.
Aus dem Blickwinkel des Fahrers.
Im Cockpit der MultiClass 500 LE steckt viel Entwicklungsarbeit.
Virtual Reality im Designprozess.
Die typische Setra Qualität zeigt sich in vielen Details der neuen Überlandbusse, die Narbung des Instrumentenboards ist nur ein Beispiel von vielen. „Wir haben den Anspruch einer Oberflächenqualität auf Automobilniveau“, erläutert Vincent Thess, zuständig unter anderem für das Cockpitdesign der MultiClass 500 LE.
Erstmals nutzten Entwickler und Designer in einem sehr frühen Stadium VR-Brillen. Zusammen mit der Universität Ulm nahmen Fahrerinnen und Fahrer unterschiedlichster Größe nacheinander in einem virtuellen Cockpit Platz, aufgebaut im virtuellen Raum auf Basis digitaler Daten. Ziel: ein fahrerfreundlicher Arbeitsplatz mit bestmöglicher Bedienung.
„Wir haben den Anspruch einer Oberflächenqualität auf Automobilniveau.“
Optimierung bis ins kleinste Detail.
„Das hat sich gelohnt“, fasst Vincent Thess zusammen. „Wir erhielten viele Anregungen, die wir umgesetzt haben.“ Beispiele: Das Sonnenrollo war zunächst schwer zu greifen, also wird es nun elektrisch bedient. Mehr Platz für die Knie wurde geschaffen und sogar die Anbringung von Kleiderhaken und Kleiderbügel optimiert. Kleine Details, die im Alltag eine große Rolle spielen.
Drei Cockpitvarianten für die MultiClass 500.
Das Cockpit der neuen MultiClass 500 LE ist zurückhaltend gestaltet, schließlich handelt es sich um einen Arbeitsplatz. Angeboten werden drei Varianten: Da wäre das Cockpit City nach den Vorgaben des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) für den Einsatz in der Stadt. Dann das Cockpit Basic auf Reisebusniveau für den Überlandbetrieb. Und schließlich das Cockpit Basic City, wenn Betriebe am Einstieg 1 eine doppeltbreite Innenschwenktür ordern, die im Vorderwagen mehr Platz benötigt.
Funktionalität und Wertigkeit als Designziele.
„Wenn wir Form hineinbringen, ist diese funktional“, betont Thess. Man sieht es: Die Grundform der drei Cockpits ist reduziert auf eine horizontale Linie – Thess spricht von „Wasserlinie“ - und eine elegante Rundung, die in einer Ablage mündet.
„Wir haben eine fühlbare Wertigkeit geschaffen“, summiert er. Sichtbar ist sie ebenfalls, zum Beispiel in der Kässbohrer Markenplakette, dem „rollenden K“ auf dem Lenkrad. Seine Ziselierung ähnelt einer Luxusuhr – da schlägt das Fahrerherz höher.
„Wir nehmen uns den Omnibus aus Kundensicht zur Brust.“
Ganz nah am Puls des Fahrzeugs.
Wie dieses Herz schlägt, hat der Versuch von Daimler Buses im nächsten Schritt in der Praxis erprobt. Das Thema heißt Pulse Check. Versuchsingenieur Andreas Türk erklärt: „Wir nehmen uns den Omnibus aus Kundensicht zur Brust.“
Entwicklungsprozess in zwei Phasen.
Dazu wird in Phase 1 ein typischer Fahrerarbeitstag nachgestellt. Eine Mannschaft aus Konstruktion und Versuch trifft sich frühmorgens zum Ausrücken am Bus. Tür öffnen, Licht einschalten. Die Fahrer müssen ihre typische Ausrüstung unterbringen. Dafür haben die Versuchsingenieure ein Fahrerpaket entwickelt: große Tasche, Brille, Proviantbox, Getränke, Jacke, Mobiltelefon, Wertsachen und derlei mehr.
Zum Pulse Check der Phase 1 gehören typische Fahrsituationen: Ablagen nutzen, Sichtverhältnisse überprüfen, der Griff aus dem Fenster zu Ticketautomaten an Mautstellen, die Nutzung sämtlicher Bedienelemente für Heizung, Lüftung, Klimatisierung, von Fahrtenschreiber oder Unterhaltungselektronik. „Wir sind die Aufzeiger“, so Andreas Türk. Aufzeiger möglicher Verbesserungen in einem frühen Stadium.
Ergonomische Kriterien als Maßstab.
Türks Kollege Dietmar Denzel nennt Beispiele: „In der Praxis störte ein Siebdruck vorn auf dem Fahrerfenster den Blick in den Außenspiegel, sofern der direkt an der A-Säule befestigt ist.“ Also weg damit!
Bei Verwendung des City-Cockpits findet das Bedienteil von Heizung, Lüftung und Klimaanlage links in der Fensterbrüstung Platz – gut bedienbar, aber schlecht zu sehen. Problem gelöst: Jetzt gibt es entsprechende Anzeigen im Kombi-Instrument.
Nahe der Ablage fürs Mobiltelefon findet sich nun eine Ladesteckdose, rechterhand folgt noch eine Halterung für die große Getränkeflasche. Die Bedienelemente über Kopf im nachrichtentechnischen Fach wurden versetzt, „was man greifen und sehen muss nach vorn“. Und der Monitor für das optionale 360°-Kamerasystem rückte an eine neue einheitliche Position. Alles Themen, die das Fahrerleben erleichtern.
Kundenwünsche berücksichtigt.
Damit nicht genug. „Wir haben eine Fahrerstudie machen lassen“, fügt Dietmar Denzel an. Psychologen der Universität Ulm befragten Fahrer mehrerer Verkehrsbetriebe nach ihren Wünschen und Vorstellungen. Sie flossen in die Entwicklung ein. Ein Beispiel: Stadtbusfahrer mögen die gewohnten runden Türtaster. Also gibt es nun unterschiedliche Taster im neuen Cockpit City und in den Überlandcockpits Basic und Basic City. Hinzu kommt außerdem gleich nebenan eine gelbe Leuchte, wenn Fahrgäste eine Haltewunschtaste gedrückt haben.
Zum Schluss folgt Phase 2 des Pulse Checks. Kurz vor dem Serienanlauf nimmt sich ein Team einen frühen Omnibus aus dem regulären Produktionsdurchlauf vor. „Wir sehen uns als erster Kunde“, erklärt Versuchsingenieur Andreas Türk. Die Umsetzung von Punkten aus Phase 1 wird überprüft. Und „es geht um Klapper- und Quietschgeräusche sowie um Spaltmaße“.
Also um Fertigungsqualität, die bei Setra eine herausragende Rolle spielt. Auch und gerade bei einem Low Entry, der als typisches Flottenfahrzeug „unter einem Kostendruck steht, wie keine andere Omnibusgattung“, wie Designer Vincent Thess unterstreicht. „Wir Automobildesigner sehen uns als Produktentwickler, nicht als Stylisten.“ So jemand achtet auch auf die haltbare Erodiernarbung des Cockpits. Damit die neue Setra MultiClass 500 LE auch nach vielen Jahren so frisch wie am ersten Tag auf die Linie geht.