Auf der Suche nach dem wahren Charakter.
SetraWorld Magazin

Auf der Suche nach dem wahren Charakter.

Es ist 7:30 Uhr im historischem Fischerviertel Ulms. Inmitten einer kleinen, kopfsteingepflasterten Gasse steht ein großer rotweißer Omnibus aus der Wirtschaftswunderzeit, ein Setra S 9. Das Relikt aus den Anfängen der bewegenden Kässbohrer Geschichte posiert vor dem 1480 erbauten Stammhaus des Firmengründers Karl Käßbohrer. Obwohl es an diesem kalten Novembermorgen noch nicht einmal 10 Uhr ist, haben sich bereits Schaulustige eingefunden, um mit dem charmanten Setra Omnibus ein Selfie zu machen. 

In all dem Trubel, völlig unaufgeregt, steht Sabine Honold. Sabine Honold betreut den Bereich SetraClassic mitsamt Kässbohrer Haus, Kässbohrer Halle, der Setra Fahrzeugsammlung und dem Setra Markenarchiv. Die dreifache Mutter bringt so schnell nichts aus der Ruhe, sie kennt die engen Platzverhältnisse im Fischerviertel und sie kennt Setra. In- und auswendig! Mit Kollege und Busfahrer Martin Bahle führt sie uns heute durch 70 Jahre Firmengeschichte, gibt Einblicke in den Mythos Setra, schlägt den Bogen zwischen Automobilbau, Pioniergeist, ungebremster Reiselust und zwangsverschriebener Frischekur einer ganzen Branche.„Wenn ich mich heute auf die Suche nach unserer Markenidentität mache, Gespräche mit Kunden führe und versuche zu verstehen, was wohl die prägendste Zeit für Kässbohrer und die Marke Setra war, stoße ich vor allem auf ganz viele Geschichten und teils sehr emotionale Erlebnisse. Immer im Mittelpunkt, ein Omnibus“, sagt Sabine Honold. So wie der besagte rotweiße Setra S 9 von 1959.

Der S 9 war ein Reisebus aus der ersten Baukastenreihe von Setra. Mit seiner selbsttragenden Karosserie, dem zur damaligen Zeit sehr potenten Heckmotor, neun Sitzreihen und der Panoramaverglasung war er der Traum vieler Deutscher, die durch ihn endlich ihren lang ersehnten Reisehunger stillen wollten. Mit der Baureihe 10, zu der auch der S 9 gehört, rationalisierte Kässbohrer grundlegend die Produktion. „Ein Grundtyp – acht Modelle“, so der Ansatz der damaligen Bus-Manager. Es ging um Teilevereinheitlichung und es ging um Wirtschaftlichkeit. Letzteres versuchte man direkt beim Kunden zu platzieren. Das bis heute gängige Baukastenprinzip war geboren.

„Der Omnibus gab verloren geglaubte Wünsche zurück.“

Und es ist vielleicht ebendiese Zeit, die die Marke Setra besonders nachhaltig geprägt hat. Die Omnibusse entwickelten sich dank der vielen Vorteile der selbsttragenden Bauweise zu langstreckentauglichen Reisewagen. „Sie gaben einer ganzen Generation ihre verloren geglaubten Wünsche zurück. Den Wunsch, ferne Länder zu bereisen, Urlaub und die Dolce Vita zu genießen“, weiß Sabine Honold zu berichten.

Auch die wiedererstarkten Industriestädte und Kommunen hatten Bedarf nach neuen Omnibuslösungen. Wirtschaftlich sollten die neuen Fahrzeuge sein und robust. Der Omnibusbau boomte, das Ulmer Unternehmen Kässbohrer ebenfalls. 1976, zum 25-jährigem Jubiläum der Marke Setra, hatte man bereits über 20.000 Fahrzeuge an Kunden geliefert.

Die Reisebranche beginnt sich Ende der 60er, Anfang der 70er stark zu verändern. Trotz Ölkrise und steigender Arbeitslosenzahlen erlebt die Touristikbranche zwar einen Boom, doch mehr als die Hälfte der Inlandsurlauber erreicht den Urlaubsort nunmehr mit dem eigenen Pkw, bei den Auslandsreisenden sind es fast zwei Drittel. Zu den Ferienzeiten kommt es bisweilen zu chaotischen Zuständen auf den Autobahnen. Kilometerlange Staus und zahlreiche Unfälle gehören zur Tagesordnung. Ein Grund, weshalb immer mehr Touristen auf das Flugzeug umsteigen. Pauschalurlaub wird zum Trend. Der Luftverkehr wächst allein im Jahr 1970 um mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 

Die bis dahin populäre Busreise brauchte dringend eine Frischekur. Die Busunternehmer lockten Fahrgäste mit speziellen Studienreisen und mit Billigangeboten. So mussten auch die Omnibushersteller reagieren. Es begann die Zeit, in der Hersteller und Unternehmer näher zusammenrückten und Entwicklungsleistungen oftmals gemeinsam angegangen wurden. So reagierte Kässbohrer 1982 zum Beispiel mit dem ersten Doppelstockbus, dem S 228 DT, als Konsequenz auf die Forderungen nach höherer Sitzplatzkapazität.

„Um Auto, Bahn und Flugzeug die Stirn bieten zu können, ließ sich die Branche einiges einfallen. Die jüngeren und solventen Zielgruppen lockte man mit Bildungsreisen und mit mehr Komfort. Bequeme Liegesitze, größerer Sitzabstand, Klimaanlage, Bordküche und Toilette gehörten bald zur Standardausstattung in Setra Reisebussen. Übrigens ein Merkmal, das bis heute unserer Marke zugeschrieben wird.“

„Mit den runden Bussen der 60er Jahre verbindet fast jeder ein positives Reiseerlebnis.“

Die Kässbohrer Halle beherbergt 25 Exponate und zeigt Fahrzeuge bis in die 90er Jahre. Obwohl Sabine Honold selbst nur einen kleinen Teil der 70 Jahre Setra Geschichte miterlebt hat, kann sie die Emotionen nachvollziehen, die die Besucher in der Kässbohrer Halle erleben. „Oft spüre ich, wie die unterschiedlichen Fahrzeuge in unserer Halle polarisieren. Mit den runden Bussen der 60er Jahre verbindet fast jeder ein positives Reiseerlebnis. Wer allerdings in die Geschichte unserer Fahrzeuge ab Mitte der 80er Jahren eintaucht, assoziiert beispielsweise mit dem pragmatischen Arbeitsplatz oder dem zweckmäßigen Außendesign oft ein angestaubtes Omnibusimage. Zu Unrecht, wie wir wissen. Allein die Baureihe 300 hat Anfang der 90er das moderne Omnibusbild wesentlich geprägt.“

Auf der Suche nach dem wahren Charakter.
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Kenner der Marke wissen, was gemeint ist, die Baureihe 300 kam mit einem völlig neuen Spiegelkonzept und einer geschwungenen B-Säule, die in der Baureihe 400 ihren Namen La Linea erhielt.

Vielleicht muss man, um die Werte der Marke Setra wirklich verstehen zu können, erst einen Blick auf die aktuelle Setra Modellpalette werfen. Hier wird deutlich, welche Werte die Marke ausmachen. Die Fahrzeuge strahlen Perfektion, Leidenschaft und Ästhetik aus. Sie stehen genauso selbstbewusst zu ihrem Wirtschaftlichkeitsversprechen wie zu ihrem kompromisslosen Sicherheitskonzept.

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